von Hans Vastag
In der „besten Stube des Landes“ im Weißen Saal des Neuen Schlosses Stuttgart versammelten sich am 23. April 2022 eingeladene Gäste zu einem Festakt bei dem gleich drei prominente Politiker des Landes und der Präsident des BdV Prof. Dr. Bernd-Bernhard Fabritius zugegen waren. Dass der Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Stellvertreter Thomas Strobl zugleich den Veranstaltern die Ehre gaben, zeugt vom Ansehen und Würdigung des BdV bei und von der Landesregierung, was in den Reden mehrmals betont wurde. Als Ehrengast war auch Alt-Minsterpräsident Dr. h.c. mult. Erwin Teufel eingeladen.
Die Begrüßung nahm die Landesvorsitzende des BdV Iris Ripsam, MdB a.D., und Stadträtin vor. Sie begrüßte die prominenten Gäste außer den Genannten auch den Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Werner Wieland MdEP, mehrere Vertreter des Landesparlaments, den General-Konsul Rumäniens in Stuttgart Dr. Radu Florea, die Landesvorsitzende der Landsmannschaften, des Innenministeriums und der Presse. Unter den geladenen Gästen war auch der Landesvorsitzende der Banater Schwaben Richard S. Jäger.
Im Anschluss berichteten die SWR-Landeschau und auch die Printmedien über das Ereignis.
Beim Festakt haben sowohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann als auch Innenminister Thomas Strobl, Landesbeauftragter für Verriebene und Spätaussiedler, die Leistung der Heimatvertriebenen beim Aufbau von Baden-Württemberg hervorgehoben. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Leistung der Heimatvertriebenen beim Aufbau von Baden-Württemberg gewürdigt. Kretschmann sagte, das Jubiläum des BdV und das des Landes (das drei Tage später gefeiert wurde) hingen eng zusammen. „Denn die Heimatvertriebenen haben bei der Volksabstimmung im Dezember 1951 nahezu geschlossen für den Südweststaat gestimmt.“ Sie hätten so den entscheidenden Ausschlag für die Gründung des Landes Baden-Württembergs wenige Monate später gegeben. „Die heimatvertriebenen Deutschen wollten in der neuen Heimat gute Staatsbürger sein.“ Kretschmann erinnerte auch an das Leid der Vertriebenen. Der Grünen-Politiker sagte: „Unrecht ist und bleibt es, wenn unschuldige Frauen, Männer und Kinder willkürlich aus ihrer Heimat vertrieben, wenn sie enteignet oder ermordet werden.“ Unrecht sei und bleibe es, wenn Menschen allein ihrer Volkszugehörigkeit wegen verfolgt, diskriminiert und an Leib und Seele bedroht werden. Politik würdigt die Rolle der Vertriebenen beim Aufbau des Südweststaats. Der Ministerpräsident erinnerte sich daran, dass seine Eltern 1945 aus Ostpreußen geflohen seien, wobei sein Bruder Winrich auf der Flucht verstorben sei.
Der Stellvertretende Ministerpräsident, Innenminister und Landesbeauftragte für Vertriebene und Spätaussiedler Thomas Strobl erklärte zum 70-jährigen Bestehen des Bundes der Vertriebenen: „Seit 70 Jahren ist der BdV nun in Baden-Württemberg aktiv, vertritt erfolgreich die Interessen seiner Mitglieder und setzt sich in vielfältiger Weise für die Bewahrung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa ein. Wir feiern in diesen Tagen 70 Jahre BdV und 70 Jahre Baden-Württemberg – und beide Jubiläen sind eng verknüpft. In Baden-Württemberg ist es uns gemeinsam gelungen, auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges eine neue Zukunft aufzubauen. Unser Land hat von der Aufnahme der Vertriebenen und Flüchtlinge sehr profitiert. Die Zuwanderung in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die rund ein Fünftel der Bevölkerung im Gebiet des heutigen Baden-Württembergs umfasste, war in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn: ein Gewinn an hoch motivierten Beschäftigten und Selbständigen, deren Einsatzbereitschaft eine wesentliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in den 1950er-Jahren war, ein Gewinn an vielfältigen Erfahrungen beim Zusammentreffen von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen und historischem Hintergrund und letztendlich ein Gewinn für unseren Staat selbst. Denn ohne die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen gäbe es Baden-Württemberg gar nicht, gerade auch ihre Stimmen gaben bei der Volksabstimmung im Dezember 1951, die zur Gründung des Südweststaates führte, den Ausschlag. Der BdV und die Landsmannschaften setzen sich sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seit Jahrzehnten nachdrücklich für Versöhnung und Frieden in Europa ein. Gemeinsames und Verschiedenes zu kennen und sich damit auseinanderzusetzen, ist letztendlich die beste Grundlage für eine tragfähige Völkerverständigung. Diese Aufgabe und ihre Bedeutung ist angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine hochaktuell und nicht hoch genug zu bewerten. Wer glaubte, dass der Frieden in Europa selbstverständlich und für alle Zeiten gesichert ist, wurde in den vergangenen Wochen eines Besseren belehrt. Wir müssen daraus die Lehre ziehen, dass Frieden, Freiheit und Toleranz immer wieder unseren vollen Einsatz erfordern.“ Etwa 15 Millionen Deutsche verloren im Zweiten Weltkrieg durch Flucht und Vertreibung ihr Zuhause. In Stuttgart wurde auch die Charta der Heimatvertriebenen verkündet. Sie gilt als das Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen. In ihrer Charta hatten diese am 5. August 1950 erklärt, auf Rache und Vergeltung zu verzichten und an der Schaffung eines friedlichen, freiheitlichen und geeinten Europas mitzuwirken und sei schon damals weitsichtig gewesen.
Einen historischen Beitrag lieferte Prof. Dr. Manfred Kittel von der Universität Regenburg. Im Juli 2009 wurde Kittel vom Stiftungsrat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zum Direktor der im Vorjahr nach langen Diskussionen im Bundestag beschlossenen Einrichtung berufen. In Kittels Amtszeit wurde die Stiftung personell und organisatorisch aufgebaut und unter seiner Leitung eine Konzeption für die heutige Dauerausstellung der Stiftung im Berliner Deutschlandhaus erarbeitet. Er würdigte in seinem historischen Rückblick die Leistungen der jungen Bundesrepublik und besonders des Lastenausgleichgesetzes und führte den Bogen bis in die Gegenwart. Er schloss mit den Worten: „Wir alle fühlen, wir stehen an einer Zeitenwende. Die darf man aber nicht nur ankündigen, man muss sie auch vollziehen. Wir werden unsere handelspolitischen Interessen künftig viel teurer mit geopolitischen Interessen abwägen müssen. Denn tun wir es nicht, kann es uns morgen schon gehen wie heute der Ukraine. Zur Zeitenwende gehört auch eine neue Erinnerungskultur. Die Realität des NS-Horrors und die Empathie mit seinen Opfern muss ihren Platz behalten, gar keine Frage, aber gleichzeitig muss es viel stärker auch darum gehen, wie ein Horror diesen Ausmaßes eigentlich zu vermeiden gewesen wäre und vor allem künftig zu vermeiden ist: Das heißt: Die wehrhafte Demokratie gehört in den Mittelpunkt unserer Erinnerungskultur. Und gerade der BdV, geschichtsbewusst aus eigener leidvoller Erfahrung, kann zu dieser Zeitenwende vieles beitragen.“ Umrahmt wurde die Veranstaltung musikalisch von der Familienmusik Preishammer mit Werken Mozarts und zweier osteuropäischer Komponisten Carl Philipp und Johann Wenzel Stamitz. Zum Schluss gab es im Foyer einen Stehempfang mit Fototerminen, bei dem die prominenten Gäste abwechselnd mit Vertretern des BdV und der Landsmannschaften abgelichtet wurden.