Ausstellungseröffnung „Sklaven im Baragan“ im rumänischen Generalkonsulat in Stuttgart

Am 20. Mai fand die Ausstellungseröffnung „Sklaven im Baragan“ im rumänischen Generalkonsulat in Stuttgart statt.

Am 20. Mai  lud der Landesverband Baden-Württemberg zu einer Ausstellungseröffnung ins Generalkonsulat von Rumänien in Stuttgart ein. Als Ehrengäste waren die BdV-Landesvorsitzende und Stadträtin Iris Ripsam und der Geistliche Beirat des Gerhardswerks Pfarrer Paul Kollar anwesend.

Generalkonsul Radu Florea konnte aufgrund einer Erkrankung nur per Videoschaltung die Teilnehmer und Gäste bergüßen. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)
Über hundert Gäste sind der Einladung des Generalkonsulates und des Landesverbandes zur Eröffnung gefolgt. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)
Landesvorsitzender Richard S. Jäger bei der Begrüßung der Gäste. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)

Der Landesvorsitzende Richard S. Jäger begrüßte im Namen des Landesverbandes die über hundert anwesenden Gäste der Ausstellungseröffnung und erinnerte an die Deportation von rund 10.000 Banater Schwaben vor 71 Jahren als eine „Tragödie mitten im Frieden“. Es betonte, dass es für die Banater Schwaben eine besonderer Ehre und Anerkennung des Leides der Deportierten sei, die Ausstellung „Sklaven im Baragan“ im rumänischen Generalkonsulat in Stuttgart öffentlich zu zeigen, vor allem vor dem Hintergrund, dass es im kommunistischen Rumänien bis 1990 nicht möglich war über die Deportationen der Banater Schwaben öffentlich zu sprechen. Es sei die Verpflichtung  und Verantwortung der Landsmannschaft aber auch jedes Einzelnen über diese furchtbaren und menschenverachtenden Verbrechen kommenden Generationen darüber Zeugnis abzugeben. Ein Zeitzeugenprojekt sei geplant um diese Ereignisse nicht der Vergessenheit anheimzugeben.

Coronabedingt wurde das Grußwort des Generalkonsuls Dr. Radu Florea per Video eingeblendet.

Er betonte, es sei ihm  eine Ehre und gleichzeitig eine große Freude, alle Anwesenden als Gäste des Generalkonsulates von Rumänien in Stuttgart willkommen heißen zu dürfen. Vor kurzer Zeit wurde ihm die Ehre zuteil, bei den Feierlichkeiten des 70-jährigen Jubiläums des Landesverbands im Stuttgarter Neuen Schloss dabei sein zu dürfen. Die heutige Ausstellungseröffnung sei auf eine Initiative des Landesverbandes der Banater Schwaben in Baden-Württemberg zu verdanken und wird gemeinsam mit diesem Verband ausgerichtet. Trotz der coronabedingten Einschränkungen der letzten zwei Jahre konnten seit der offiziellen Einweihung unserer konsularischen Vertretung im Dezember 2019 durch viele und verschiedene Veranstaltungen, Festakte und Treffen eine enge und vielfältige Zusammenarbeit mit dem Landesverband aufgebaut werden. Die Bemühungen um die Pflege des beeindruckenden kulturellen Erbes, das die Banater Schwaben in Rumänien hinterlassen haben, zähle zu den vorrangigen Zielvorgaben der Tätigkeit und es sei wunderbar, dass dieser mit so viel Offenheit und Engagement entgegenkomme. Besonders erfreulich finde er ebenfalls die große Zahl der Teilnehmer, die sich bei der Eröffnung dieser Ausstellung versammelt haben. Das 20. Jahrhundert habe die Welt der Menschen wie kein Zeitalter zuvor verändert. Als untrennbares Teil dieses vielseitigen Wandels bleibe aber das 20. Jahrhundert in der Erinnerung der Menschheit auch durch das dunkle Gesicht einer Zeit des Leidens. Vor 70 Jahren herrschte in Rumänien das kommunistische Regime. Es waren die düsteren Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, als der gesamte Osten Europas in den Bann der kommunistischen Macht der Sowjetunion unter Stalin geraten war. Rumänien war damals eine Volksrepublik, aber die wahre Macht gehörte keinesfalls dem Volk, sondern einer politischen Minderheit und zwar der kommunistischen Partei, welche die Demokratie durch grobe Verfälschung der Parlamentswahl 1946 zunichte gemacht hatte. Unter dem Einfluss der sowjetischen Machtpolitik auf internationaler Ebene aber zur Durchsetzung der innenpolitischen kommunistischen Hauptziele wie die Kollektivierung der Landwirtschaft sowie die Ausscheidung der politischen Gegner und der sogenannten feindlichen sozialen Schichten der Gesellschaft, beschlossen die damaligen rumänischen Behörden die zwangsweise Umsiedlung von mehr als 40.000 Menschen aus den Grenzgebieten zu Jugoslawien bzw. aus Banat und Oltenien in die Bărăgan-Steppe. Offizieller Vorwand war die Vorbereitung einer militärischen Auseinandersetzung mit dem damals verfeindeten Jugoslawien unter der Herrschaft von Josip Broz Tito. In Wahrheit erwies sich diese Maßnahme als eine rein willkürliche politische Säuberung. Die Banater Schwaben machten ein Viertel der Deportierten aus. Neben ihnen wurden zahlreiche Rumänen, Bulgaren, Serben und Einwohner weiterer Volkszugehörigkeit verschleppt. Unter unwürdigen und unmenschlichen Bedingungen mussten die Deportierten den Leidensweg ins Unbekannte gehen. Sie wurden in den Bărăgan befördert und dort gezwungen, ein neues Leben anzufangen ohne jegliches Obdach, unter freiem Himmel und mit nichts anderem als den Sachen, die sie mit leeren Händen mittragen konnten. Fast 6 Jahre lang mussten sie im Bărăgan mit Zwangsaufenthalt leben, bevor sie in ihre Heimatorte mit gequälter Seele und zertrümmertem Leib zurückkehren durften. Über 1.700 Menschen, darunter 174 Kinder, verloren aber ihr Leben und blieben für immer in der Erde des Bărăgan begraben. 600 davon waren Banater Schwaben. Die Hinterbliebenen mussten diese Verluste zusammen mit dem Leid des Hungers, der Not und der Erniedrigung für immer in ihren Herzen tragen. Heutzutage erzählen nur wenige Überlebende aber viele Grabsteine und Denkmäler von diesen gebrochenen Schicksalen. Für die jüngeren Generationen, die die kommunistische Zeit nicht erlebt haben, sind die Missbräuche und Gräueltaten der ’50-Jahre kaum vorstellbar. Trotzdem haben wir alle die Ehrenpflicht, der Opfer zu gedenken, damit der Schatten der Vergessenheit ihnen nicht noch mehr Leid und uns selbst nicht mehr Unwürdigkeit zufügt. Darüber hinaus trägt der rumänische Staat, als Heimatland der damaligen Zwangsverschleppten, eine historische und moralische Verantwortung den Opfern und ihren Nachfahren gegenüber. Selbstverständlich fehlte bis zum Sturz der Kommunisten der politische Wille, diese Verantwortung zu übernehmen. Nach der Wende und Rückkehr zur Volksherrschaft erlang diese Verantwortung eine erste staatliche Anerkennung durch die Verabschiedung des Gesetzeserlasses 118/1990, welches eine rechtliche und finanzielle Entschädigung der Deportierten festlegte. Durch weitere Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes, zuletzt dieses Jahr (2022), wurde sein Wirkungsbereich auf die Nachkommen der Deportierten ausgedehnt. Ich kann nur hoffen, dass diese Entschädigungen mehr als einen nur rein symbolischen Wert für die Opfer darstellen. Zum Schluss las der Generalkonsul einen kleinen Ausschnitt aus der Erzählung „Entwürfe der Vergangenheit“ der rumänischen Dichterin Ana Blandiana vor, die zusammen mit anderen literarischen Texten von Otilia Spiridon vom Tübinger Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Diese Texte wutrden auf der Leinwand im Hintergrund gezeigt. Dieser Ausschnitt gibt aus einer literarischen Perspektive den Widerhall des Wortes Bărăgan für ein Kind jener Zeit wieder. Ich zitiere: „ Wenn mir dennoch etwas aus jener Zeit in Erinnerung geblieben ist, dann das Wort Baragan. Ihm haftete etwas durch und durch Furchterregendes an, besonders für ein Kind, das zwar keine Drachen und Ungeheuer, keine Gespenster und Hexen fürchtete, statt dessen aber seltsamerweise – und das war unendlich viel schlimmer – vor ganz gewöhnlichen Wörtern erschrak, die man in seiner Umgebung mit einem Grau en aussprach, das sich, unverstanden und somit verschärft, auch dem Kind mitteilte. Baragan war eins dieser Worte. Ein anderes war abholen. »Heut Nacht werden sie mich wohl auch abholen«, hörte ich meinen Vater sagen und begriff ohne weitere Erklärung, dass sich darin das größte Unglück ankündigte, das ihm widerfahren konnte.

Anschließend folgte ein Bericht der Zeitzeugin Anna Bartole (92 Jahre alt), die in schlichten Worten den Alltag im Baragan schilderte. Werner Gilde, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft gab dann einen Überblick über die Ausstellung, nach der die Anwesenden zum Besuch der Ausstellung eingeladen wurden.

Musikalisch stimmungsvoll umrahmt wurden die Ansprachen vom Chor des Kreisverbandes Stuttgart unter der Leitung von Wilhelm Hack und dem klassikTrio (Christine Heinrich, Theresia und Johanna Jäger).

Im Foyer des Generalkonsulat gab es einen Stehempfang mit Sekt, rumänischem Wein und Finger-food, den der KV Rems-Murr dem KV-Vorsitzende Ingrid Röhrich vorsteht.

Hans Vastag

Anna Bartole wurde 1951 als 21-jährige Mutter von zwei Kindern in den Baragan verschleppt. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)
Der Chor des Kreisverbandes Stuttgart unter der Leitung von Willi Hack. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)
Werner Gilde und Anneliese Lang berichteten über die Deportation. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)
Ehemalige Baragandeportierte und im Baragan geborene Banater Schwaben sowie das KlassikTrio (links). (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)
Das Helferteam in der Küche. Ingrid Röhrich, Bettina Sturm, Gerlinde, Christine Weber
Blick in den Ausstellungsraum. (Foto: Cornel Simionescu-Gruber)