Landeskulturtagung: Sport im Banat – Freizeit, Gemeinschaft und Weltklasse

Einem auf den ersten Blick etwas ungewöhnlichen Thema war die diesjährige 57. Kulturtagung des Landesverbandes Baden-Württemberg am 5. und 6. November 2022 gewidmet: dem Sport im Banat. Vorausgegangen war eine Grundsatzdiskussion darüber, ob Sport „Kultur“ sei oder nicht, wobei der langjährige Sportjournalist Helmut Heimann sich mit großer Vehemenz dafür aussprach, dem Sport den ihm gebührenden Platz im Bereich der Kultur zuzuweisen. Die Entscheidung stand allerdings schon im letzten Jahr fest, die Tagung konnte damals jedoch nicht stattfinden und wurde deshalb wieder auf das Programm gesetzt. Ungewöhnlich war auch der Ort, das Haus der Heimat in Stuttgart statt dem Haus der Donauschwaben in Sindelfingen, denn diese seit vielen Jahren vertraute Begegnungsstätte fällt derzeit wegen Renovierung aus. 

Der Landesvorsitzende Richard Jäger (rechts) mit den Referenten der Kulturtagung (von links): Felix Matei, Hans Schuch, Josef Koch, Yves-Pierre Detemple, Helmut Heimann und Werner Gilde. (Nicht auf dem Foto sind die Referenten Ernst Meinhardt und Josef Lutz)

Dass Sport schon länger auf der Wunschliste der Themen für die Kulturtagung stand, merkte man an der ausdrücklichen Genugtuung der anwesenden Teilnehmer, dass der Wunsch endlich in Erfüllung gegangen ist. Richard Jäger, der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg, äußerte in seiner Begrüßung die Freude darüber, dass das Thema fast 50 interessierte Teilnehmer nach Stuttgart gelockt hat, und begrüßte die kompetenten Referenten der Tagung. Diese wichen, wie auch die Tagungsteilnehmer, teilweise von dem gewohnten Sindelfingen-Publikum ab, es waren viele neue Gesichter zu sehen. Auch Hans Vastag, Kulturreferent des Landesverbandes, wies auf die „zweifach neuen Wege“ dieser Tagung hin und äußerte die Hoffnung, dass die Tagung auch in Stuttgart guten Zuspruch finden werde, denn auch im nächsten Jahr werde sie wieder dort stattfinden.

Tief ins Thema eingearbeitet hatte sich der rumänische Generalkonsul in Stuttgart Radu Florea, ein häufiger Gast bei Veranstaltungen der Banater Schwaben in Baden-Württemberg. In seinem Grußwort bekannte er sich als „Sportliebhaber“, der im Sport durchaus eine „geistige Tätigkeit“ sieht. Sport sei aber auch Wettbewerb und in der internationalen Politik ein Faktor, der die „Marke der Bekanntheit eines Landes“ bestimmt. Dass der Ruhm des rumänischen Sports über Jahre auch von deutschen Namen bestimmt wurde, von Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen, sei eine bekannte Tatsache, deshalb sei er sehr gespannt auf die Tagungsbeiträge. 

Ein Grußwort sprach auch Albert Reich, ehemaliger Kulturreferent des BdV-Landesverbandes Baden-Württemberg. Als Begründer und dann Leiter des Hauses der Heimat hat der Egerländer nur beste Erfahrungen mit den Banater Schwaben gemacht. Sein Anliegen sei es immer gewesen, die Kultur der Vertriebenen in der neuen Heimat bekannt zu machen und zu verbreiten, so Reich. Der nun hoch betagte Senior und Freund der Banater Schwaben wollte bei der Tagung deshalb unbedingt dabei sein.

Unter dem Titel „Vom Kinderspiel zum Leistungssport“ bot Josef Koch, ehemaliger Sportlehrer und Handballtrainer und langjähriger Vorsitzender der HOG Hatzfeld, als erster Referent der Tagung einen Überblick über die donauschwäbische beziehungsweise banatschwäbische Sportgeschichte. Grundlage dafür war die Bedeutung von Spielen und Wettkämpfen im Dorfleben, die dann in den Vereinssport mündeten. Fußball und Handball waren die gängigsten Sportarten, die im Banat praktiziert wurden und schon in der Zwischenkriegszeit viel Erfolg hatten. Auch in der „kommunistischen“ Zeit nach 1950 stellten sich wieder Erfolge ein, die teilweise auf höchstem Niveau gipfelten. Einen Abriss dieser Geschichte hatte Koch bereits 2001 in dem Sportbuch von Helmut Hei-mann: „Tarzan, Puskás, Hansi Müller“ veröffentlicht. 

Auch der nächste Referent, Hans Schuch, kann eine beeindruckende Sportlervergangenheit vorweisen. Gefühlt ist er „auf dem Sportplatz geboren“, spielte über Jahre Handball in Alexanderhausen. Später war er Fußball-Schiedsrichter und leidenschaftlicher Sport-Fan, der alles sammelte, was er zum Thema finden konnte. Nach der Ausreise machte er in Deutschland weiter, sammelte über 300 Sportbücher an und engagierte sich auch als Vorsitzender in der HOG Alexanderhausen. Als Rentner verfasste er eine umfangreiche Dokumentation über „Siebenbürger und Banater Deutsche in der Sportgeschichte Rumäniens“. Diese war die Grundlage seines Referats, das einen Bogen über Breiten- und Leistungssport schlug und in dem viele prominente Namen fielen. Natürlich wurde auch erwähnt, dass die rumänischen Handballer mit starker rumäniendeutscher Beteiligung sieben Mal Weltmeister wurden. Schuch lobte Helmut Heimann ausdrücklich für seine Kolumne in der „Banater Post“, die das banatschwäbische Sportgeschehen zur Freude der Leser ausführlich in den Fokus rücke.

Der nächste Referent, Ernst Meinhardt, konnte nicht persönlich anwesend sein und schickte sein Referat als Audiobeitrag. Der frühere Redakteur bei der Deutschen Welle und langjährige Fan der Fußballmannschaft Poli Temeswar erwies sich mit seiner Analyse „Alles nur geklaut?“ trotzdem als nüchterner und kritischer Beobachter der Temeswarer Mannschaft, die im letzten Jahr 100 Jahre alt wurde. Die anschließende lebhafte Diskussion zum Thema „Poli“ musste dann aber leider ohne den Experten auskommen.

Der Sportjournalist Helmut Heimann hat es sich schon lange zur Aufgabe gemacht, den Besonderheiten der Banater Sportlandschaft nachzuspüren, was er in seinen Kolumnen und Berichten in der „Banater Post“ deutlich macht. In seinem Referat „Spitzensportler im Porträt“ griff er Aspekte zum Banater Sportgeschehen auf, die er bereits vor über 20 Jahren in seinem Buch „Tarzan, Puskás, Hansi Müller“ zusammengetragen und publiziert hatte. Dabei spürte er vor allem einzelnen Sportlern aus dem donauschwäbischen Umfeld nach, die es zu einer gewissen Prominenz gebracht haben, oder die im Sport- und Gesellschaftsleben anerkannte und international bekannte Figuren geworden sind. Am prominentesten ist wohl der in Freidorf geborene Tarzan-Darsteller „Johnny“ Weissmüller, aber auch der ungarische Nationalspieler Ferenc Puskás hat donauschwäbische Wurzeln, ebenso wie der Weltklasse-Handballspieler Hansi Schmidt. Das sind nur drei Aushängeschilder, die Heimann als Aufhänger nahm, um sein Hauptanliegen ans Publikum zu bringen, nämlich „eine Lanze für den Sport zu brechen“. 

Die Diskussion, ob Sport Kultur sei, ist für ihn nicht neu, wurde ihm doch in ebendiesem Haus der Heimat in Stuttgart die Präsentation seines Buches, des „ersten donauschwäbischen Sportbuches“, wie er betont, seinerzeit verweigert – mit dem Argument, das sei kein kulturelles Thema. Nun haben sich die Zeiten aber geändert und es kann eine ganze Tagung zum Sport in diesem Haus stattfinden! Dass die Verbindung von Sport und Kultur eine lange Tradition hat, darauf hatte bereits der rumänische Generalkonsul mit Blick auf die Antike hingewiesen. Heimann bemühte Goethe in den Zeugenstand, der ein Gedicht über das Eislaufen als Lebensgleichnis geschrieben hat. Oder die DDR, in der Sport eine wichtige Rolle spielte und als „Körperkultur“ bezeichnet wurde. Dass Sportstätten eine wichtige Rolle im Gesellschaftsleben spielen, merken wir nicht nur bei Sportwettkämpfen in den Stadien, sondern auch bei Auftritten von Stars, selbst „klassischer“ Kultur – wie die Drei Tenöre –, die im Stadion eine ganz andere Reichweite haben als in einem Konzertsaal.

Ausnahmsweise nicht um Sport ging es bei dem abendlichen Konzert des Münchner Lehár-Ensembles unter der Leitung von Franz Metz, das seit Jahren ein fester Bestandteil der Kulturtagung ist. Metz hatte die Programmwahl mit Werken von Wilhelm Franz Speer, Heinrich Weidt und Franz Lehár zwischen dem verflossenen Lehár-Jahr und der kommenden Kulturhauptstadt Temeswar unter der Überschrift „Die Klänge einer Stadt“ eingepasst. Wegen kurzfristiger Erkrankung der Sopranistin Nina Laubenthal musste das Ensemble im Programm etwas improvisieren, was die bewährten und aufeinander eingestimmten Musiker Wilfried Michl (Bariton), Wilfried Michl jun. (Tenor) und Hermina Szabó (Violine) zusammen mit Franz Metz am Klavier bravourös und zum Vergnügen des Publikums schafften.

Rumäniens Generalkonsul in Stuttgart Dr. Radu Florea und der Landesvorsitzende Richard Jäger mit dem Lehár-Ensemble aus München, das das traditionelle Abendkonzert bestritt: Dr. Franz Metz, Hermina Szabó, Wilfried Michl und Wilfried Michl jun. (von links) Fotos: Hans Vastag

Die Tagung setzte sich am Sonntag mit einem Referat zur Hatzfelder Fußballgeschichte von Yves-Pierre Detemple fort. Der als Uwe Detemple geborene Hatzfelder publiziert regelmäßig auch über Banater Themen und bot diesmal eine (leider etwas zu) ausführliche Präsentation, in der er besonders auf die Anfänge des Fußballs in der Heidestadt einging, um dann die Entwicklung bis in die Gegenwart zu verfolgen.

Ein „schwowisches Markenzeichen“ war in den 1970er Jahren der „Pipatsch-Pokal“ für Handballturniere, gestiftet von der „Neuen Banater Zeitung“. Das war das Thema des Referenten Felix Matei, gebürtiger Marienfelder, der in Großsanktnikolaus und später in Temeswar im Team des Lenau-Lyzeums Handball spielte. Nach seiner Auswanderung wurde er Arzt, engagierte sich aber nach der Wende wieder für den Handball in Großsanktnikolaus, den er durch eine Vereinsgründung und Förderung der Jugendarbeit wiederbelebt hat. In Stuttgart zeigte er hauptsächlich Zeitungsausschnitte – sowohl auf einer Pinnwand als auch in seiner Präsentation und ging pointiert auf die Geschichte dieses traditionsreichen, identitätsstiftenden Sportturniers im Banat ein, gespickt mit Anekdoten, sodass der Vortrag nahezu interaktiv wurde.

Wegen Krankheit des Referenten musste der angekündigte Beitrag von Josef Lutz ausfallen. Sein Thema waren die Banater Sportturniere in Deutschland, die an die Tradition der Pipatsch-Turniere anknüpften und bei den Heimattreffen in den 1980er Jahren in verschiedenen Sportarten – Fußball, Handball, Tennis, Kegeln – ausgetragen wurden. Ziel war damals hauptsächlich, Aktive von früher und heute zusammenzubringen. Das hatte zur Folge, dass auch immer viele prominente Banater Sportler bei den Turnieren dabei waren, und sei es nur, um sich zu treffen und Erinnerungen auszutauschen. Josef Lutz, langjähriger Vorsitzender der HOG Sanktanna und früher dort selbst aktiver Sportler, organisierte diese Turniere ab 1988. Das Referat wäre der fällige Ansatz einer Dokumentation dazu gewesen und hätte bestimmt auch zu lebhaften Diskussionen und Erinnerungen im Plenum geführt. Stattdessen wird es jedoch zumindest in den Tagungsband aufgenommen, der wie immer im Laufe des nächsten Jahres erscheinen wird.

Den letzten Vortrag „Ein Buch zum Handball im Banat“ hielt Werner Gilde, Vorsitzender des Kreisverbandes Karlsruhe und der HOG Billed, in banatschwäbischer Mundart. Das Buch zum Handball ist ein Projekt, das alle Informationen zu Handball-Aktivitäten in den einzelnen Ortschaften des Banats bündeln und dokumentieren soll. Das Referat war eine Bestandsaufnahme und eine Aufforderung an alle, noch fehlende Informationen zu ergänzen. Die Tagung endete mit einer „Fotosession“, bei der die Referenten und die Teilnehmer sich abwechselnd fotografierten.

Die lebhaften Diskussionen zwischen den Vorträgen und am Schluss der Tagung erlauben den Schluss, dass sich das Thema großen Zuspruchs erfreute und gut angenommen wurde. Auch die Tagungsstätte in Stuttgart bot nach Ansicht der Teilnehmer viele Pluspunkte – etwa die gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die bequeme Laufweite zum Hotel. Einen besonderen Dank verdienen die „guten Geister“ vom Kreisverband Rems-Murr, Ingrid und Peter Röhrich, die für Kaffee, Kuchen, Abendessen und gemütliche Stimmung sorgten und alles im Griff hatten. Die nächste Kulturtagung wird im November 2023 wieder im Haus der Heimat stattfinden.

  
Halrun Reinholz und Hans Vastag