16. Kulturtagung 1980 – Wahrung der geistigen Einheit

Banater Post 1980 Ausgabe 2 Jahrgang 25 vom 15.Februar 1980

Diese schon zur Tradition gewordene alljährliche Kulturtagung vom 12. bis 13. Januar 1980 im Haus der Donauschwaben zu Sindelfingen wurde vom Landesverband Baden-Württemberg und dem Bundesverband ausgerichtet und vom Kulturreferenten Alfred Huth geleitet. Seine besonderen Grüße galten dem Leitenden Ministerialrat Stemmler von der Landesregierung und dem Bundesvorsitzenden Sepp Schmidt, nochmals die herzlichsten Glückwünsche zum erhaltenen Bundesverdienstkreuz aussprach. Das Grundsatzreferat hielt Kaspar Hügel. Er definierte die geistige Einheit als lockeres Verbundensein im Sinne erlebter Gemeinschaft. Die Landsmannschaft sei nicht nur der organisatorische Rahmen dieser Einheit, sondern ein wesentliches Element unserer geistigen Entfaltung, um die sich in der Bundesrepublik Deutschland, in asterreich und in Rumänien noch eine Reihe von weiteren Organisationen und Stellen bemühen würde, die Hügel im Einzelnen aufzählte. In Rumänien sei allerdings in letzter Zeit eine immer stärker werdende Loslösung vom Ureigenen festzustellen. Dieser schleichende Prozeß gefährde die geistige Einheit der Banater Schwaben; das allmähliche Aufgehen im Rumänentum sei unverkennbar.
Auch im Westen gebe es eine Reihe von Erscheinungen, die diese Einheit gefährdeten.
Mit der Eingliederung vollziehe sich zwangsläufig eine Lockerung unseres an sich geringen Stammesbewußtseins, die bei unseren Kindern allein schon durch die biologische Integration begünstigt werde. Die für eine geistige Einheit zwischen Ost und West erforderlichen intensiven Kontakte werden vor allem dadurch erschwert, daß eine ideologische Einbahn bei gemeinsamen Veranstaltungen mit östlichen und westlichen Teilnehmern heute unverkennbar sei. In seiner abschließenden Beurteilung meinte Hügel, daß die geistige Einheit der Banater Schwaben trotz mancher Erschwernisse grundsätzlich noch erweitert und gefestigt werden könne. Mit jedem weiteren Jahr würde aber ihre Verwirklichung auf immer größere Schwierigkeiten stoßen. Ministerialrat Stemmler stellte fest, daß in den Ausführungen des Referenten und der schließenden Diskussion viele seiner eigenen Beobachtungen bestätigt worden seien. Alles, was man an Kulturarbeit mit dem Ziel der Erhaltung der eigenen Identität und der geistigen Einheit zu tun gedenke, stoße an die Mauer der kommunistischen Ideologie. Es freue ihn, daß die Banater Schwaben auf der Suche nach geistiger Einheit ihre Position klar erkannt hätten. Die Hauptschwierigkeit sehe er im Westen im Wohlstandsdenken und insgesamt in der immer stärker wirkenden Polarität zwischen Assimilation im Osten und Integration im Westen. Sepp Komanschek ging in seinem Referat „Was ist bisher für die geistige Einheit der Banater Schwaben getan worden?“ davon aus, daß die erste Kulturtagung der Banater Schwaben im Jahre 1965 eine Bestandsaufnahme gewesen sei mit dem Ziel, eine gewisse Systematik in unsere Kulturarbeit zu bringen. In Form eines Zeitraffers erläuterte Komanschek
sodann die in den jährlichen Kulturtagungen behandelten Themen. Neben der Auseinandersetzung mit spezifischen Fragen der Banater Schwaben habe man sich auch stets bemüht, das Wirken der Banater Kulturschaffenden
einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen (Kunstausstellungen, Dichterlesungen u. a). Den Versuchen um eine gezielte kulturelle Zusammenarbeit mit den offiziellen rumänischen Stellen (Vereinbarungen mit der Gesellschaft Romania) blieb der erwünschte größere Erfolg leider versagt. In der anschließenden Diskussion regte Ministerialrat Stemmler die Einrichtung von Heimatkinos mit 8-mm-Filmen und von Heimatstuben an, um noch über die Zeit der Erlebnisgeneration hinauswirken zu können. Jakob Wolf machte die erfreuliche Mitteilung, daß die Bibliothek der
.Marburger Burse demnächst vom Haus der Donauschwaben übernommen werde. Am zweiten Tag behandelte Sepp Schmidt das Thema „Was ist in der Zukunft noch zu tun, um die geistige Einheit der Banater Schwaben zu wahren und zu festigen?“ Als Hauptziele sollte uns die Rettung der biologischen und der kulturellen Substanz vorschweben. Dazu sei es notwendig, unsere Landsmannschaft offenzuhalten für die Zusammenarbeit mit den Schwesterlandsmannschaften und unseren übrigen kulturellen Organisationen. Dem Eigenbewußtsein der Banater Schwaben lägen das geographische Element des Dreiflüsselandes Banat und das Element der historischen Vielschichtigkeit der Heimatlandschaft zugrunde. Als Beispiel las Schmidt eine anmutige eigene Schilderung aller Banater Landschaftsformen vor, die für alle Anwesenden ein sprachlicher Leckerbissen war. Nach einer sehr ausführlichen Darstellung der gegenwärtigen Situation der Banater Schwaben in der alten und in der neuen Heimat und der vorausgegangenen geschichtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen gab der Bundesvorsitzende neue Anstöße zur Herausgabe einer umfassenden und gültigen Buchreihe über die Banater Schwaben, damit diese keinesfalls in der historischen Anonymität untergehen; Ortsmonographien allein reichten hierzu nicht aus.   Dem Referat schloß sich eine äußerst lange und fruchtbare Diskussion an, in der eine Reihe von wertvollen Vorschlägen gemacht worden ist, um einerseits die Identität der Banater Schwaben zu dokumentieren und wirksamer werden zu lassen, und andererseits die menschlichen und geistigen Kontakte mit unseren Landsleuten im Banat zu intensivieren. Großen Beifall fand die Ankündigung von Dr. Weresch über die von ihm geplante Herausgabe der Werke von Nikolaus Lenau.
Übereinstimmung bestand darin, daß wir uns hier auch damit auseinanderzusetzen haben, was unsere Landsleute im Banat tun. Ein junger Forscher meinte, daß man in Rumänien nur sehr schwer an das dortige Archivmaterial herankommen könne. Auf die Spätaussiedler eingehend, kam man allgemein zur Feststellung, daß wir in dieser Frage jede Fremdbestimmung ablehnen würden, Freizügigkeit und Eingliederung hier fordern müßten. Wer aus eigener Überzeugung in Rumänien bleiben wolle, könne auch weiterhin unserer Solidarität sicher sein. Als Termin für die nächste Kulturtagung in Sindelfingen wurde der 27./28. Dezember 1980 vereinbart, wo zwei Themen abgehandelt werden sollen: Zeitgeschichte der Banater Schwaben und Banater Landeskunde einschließlich Kartographie für Band 1 der geplanten Buchreihe. Matthias Weber