Banater Post vom 15.02.1961
Landesverband der Banater Schwaben fördert ein Fest der Südostdeutschen
Wenn auch das Landestrachtenfest in Göppingen zur Wahrung der Tradition der Schwabenbälle von Temeschburg, Neusatz und Budapest erst seit drei Jahren abgehalten wird, beginnt es mehr und mehr einen festen Platz in den Veranstaltungen von Stadt und Kreis Göppingen einzunehmen. Als besonders erfreulich dabei ist, dass es zu einem Fest der Schwaben von Neckar und Donau wird. Hier in Göppingen kommen die Trachtenträger der Schwäbischen Alb mit den Trachtenträgern von der unteren und mittleren Donau zusammen; hier feiern sie dann ein gemeinsames Fest, wobei auch die Schwaben vom Neckar sich gerne und freudig in die Form des Kirchweihbrauchtums einordnen, wie wir sie aus unserer Heimat mitgebracht haben; hier in Göppingen scheinen sich Brauchtum von neckar- und Donauschwaben zu finden und zu vermählen und zu einer neuen Gemeinsamkeit zu werden. In Göppingen ist der Boden dazu günstig, weil in dieser Stadt die Spitzen der Behörden, vor allem Oberbürgermeister Dr. König den Sinn und das Verständnis dafür haben, und weil der Kreis der Einheimischen von Jahr zu Jahr größer wird, der daran teilhaben will.
Trachten von der Slowakei bis ins Banat und von Göppingen
Am Samstag. Dem 21. Februar, hatten sich zum Landestrachtenfest in der Stadthalle von Göppingen Trachtenpaare zusammengefunden, die fast den ganzen Raum des Karpatenbeckens vertraten. Von den Karpatendeutschen bis in die Batschka, von der Schwäbischen Türkei bis ins Banat hinein waren die farbenfrohen Trachten der einstigen deutschen Siedlungsgebiete im Donauraum vertreten. Hinzu kamen die Trachtenträger von Göppingen, mit dem Oberbürgermeister Dr. König an der Spitze. Die gute Musikkapelle „Frohsinn“ aus Albershausen spielte die altbekannten Weisen aus der Heimat genauso schmissig wie unsere guten Dorfmusikkapellen im Banat, so daß die Alten, die noch zu Hause die Schwabenbälle erlebt hatten, mit ihren Gedanken in Temeschburg, Neusatz oder Budapest der zwanziger Jahre weilten.
Aufwartung beim Oberbürgermeister
Gegen acht Uhr begaben sich die beiden Geldherren mit einer kleinen Trachtengruppe ins Rathaus, wo sie dem Oberbürgermeister der Stadt ihre Aufwartung machten. Nach altem Banater Kirchweihbrauchtum boten sie ihm und den anwesenden Stadträten von ihrem „Kirchweihwein“ an. Zwei junge Paare aus Göppingen in altschwäbischer Tracht wie auch der Oberbürgermeister gaben Zeugnis ab vom Bestreben, dass man hier schwäbische Tradition von drinnen und draußen zu pflegen bereit ist.
Wie auf der Kirchweih in der Heimat
Um acht Uhr zogen Trachtenpaare aus Augsburg, Eßlingen, Eislingen/Fils und aus der näheren und weiteren Umgebung von Göppingen bei den Klängen des Prinz-Eugen Marsches in den großen Saal der Stadthalle ein. Vorne weg Kinder aus Göppingen und aus dem Banat in ihren Heimattrachten, dann die Geldherren mit dem Oberbürgermeister der Stadt.
Landsmann Hans Rieser (Ulmbach, jetzt Schlat) dankte der Stadt Göppingen für das Entgegenkommen und für die Hilfe bei der Wiederbelebung des alten Brauchtums, das die Ahnen bei ihrer Auswanderung nach dem Südosten vor 250 Jahren mitgenommen, gepflegt und erhalten hatten. Er erinnerte an die Kulturleistung der deutschen Siedler im Südosten, die der „Erzschwab“ Adam Müller-Guttenbrunn mit den Worten besungen hat: „Aus einer Wüste ward ein blühend Eden, Aus Sümpfen hob sich eine neue Welt.“
Aus dieser Tat ziehen die Völker des Südostens auch heute noch ihren Nutzen. Hans Rieser begrüßte als Ehrengäste Oberbürgermeister Dr. König von Göppingen, die Stadträte und Mitglieder des Kulturausschusses, Oberstudienrat Anton Valentin als Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Rumänien, Wilhelm Reiter als Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg mit dem gesamten Landesvorstand und den Delegierten, Jakob Wolf, Vorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben, als Vertreter von Staatssekretär Sepp Schwarz, die Vertreter des BdV, der Landsmannschaften, eine große Zahl von Bürgermeistern aus dem Kreis Göppingen, usw.
Der Ministerpräsident von Baden-Würtemberg, Kurt Georg Kiesinger und der Staatssekretär im Innenministerium von Baden Württemberg Sepp Schwarz, beide vom Landesverband der Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Rumänien eingeladen, hatten Grußschreiben übersandt. Oberbürgermeister Dr. König dankte in einer kurzen Ansprache für Begrüßung und Aufwartung. Er wies darauf hin, daß seine altschwäbische Tracht, in der er an diesem Fest teilnehme, genau die gleiche sei, wie die auf dem Einwanderungsbild von Stefan Jäger.
Versteigerung des Straußes
Dann wurden nach altem Brauch vom Geldherrn Franz Minnich (Arad-St. Martin, Augsburg) der Kirchweihspruch gesprochen, der großen Beifall fand und von der Heimatdichterin Anni Schmid-Endres verfaßt wurde. Bei der Versteigerung blieb unser Landsmann Josef Michels (Temeschburg, Göppingen) Sieger. Er verehrte ihn seiner Gattin in Hatzfeld-Tracht. Dann aber überließ man sich der Freude und der Unterhaltung. Es war eine allgemeine Fröhlichkeit, die den einheimischen Gästen angenehm auffiel, „weil sie immer im Rahmen einer Form blieb“, wie die in Göppingen erschienende Zeitung „NWZ“ schrieb.
Siegerinnen der Trachtenkonkurrenz
Aus der Trachtenkonkurrenz gingen folgende Trachtenträgerinnen als Siegerinnen hervor: 1. Preis erhielt Regina Merz aus Eislinden in einer Tracht aus Baranya (Ungarn). Das elfjährige Mädchen trug die schöne Festtracht einer Brautjungfer mit dem Kranz. Die Tracht wurde von ihrer Großmutter in mühevoller Arbeit angefertigt und entspricht in jeder Hinsicht den Anforderungen einer Originaltracht. Sie erhielt das Einwanderungsbild von Stefan Jäger.
Die weiteren Siegerinnen sind: Gerlinde Hügel (Lovrin, jetzt Albershausen) in Lovriner Originaltracht, Helene Pirkel in einer Tracht aus der Schwäbischen Türkei, Anni Ness in Tolnauer Tracht, und Therese Jung in einer Tracht aus der Baranaya.
Das Landestrachtenfest in Göppingen wurde von den Kreisgruppen der Banater Schwaben, der Deutschen aus Jugoslawien und der Deutschen aus Ungarn vorbereitet und organisiert und vom Landesverband der Landsmannschaft der Banater Schwaben unterstützt.
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Anmerkung der Redaktion: Der damalige Göppinger Oberbürgermeister Dr. Herbert König wurde am 12.12.1912 in Constanta am Schwarzen Meer in Rumänien als Sohn einer evangelischen Missionarsfamilie geboren. 1916 kehrte die Familie nach Westfalen, Deutschland zurück, 1919 nach Schorndorf. Am 28.02.1954 wurde er zum OB der Stadt Göppingen gewählt. Bestätigung im Amt 1962 und 1974. 1981 Eintritt in den Ruhestand. Am 26.04.1992 in Göppingen gestorben.