Klausurtagung des LV Baden-Württemberg in Herrischried

Der Landesverband der Banater Schwaben von Baden-Württemberg beschloss nach der erfolgreichen Klausurtagung vom letzten Jahr in Bad Herrenalb, eine erneute Tagung einzuberufen. Diesmal entschied man sich für eine Ortschaft, tief im Schwarzwald gelegen, und zwar in der Gemeinde Herrischried. Der Ort liegt am Vorderen Hotzenwald, einem Südausläufer des Schwarzwaldes in der Nähe des Hochrheins.

Warum gerade in Herrischried die einberufene Tagung vom 9. – 10. September 2022?
Das hat einen sehr triftigen Grund. Herrischried ist ein Gedächtnisort der Banater Schwaben. Dieser Ort ist einer der wenigen Orte in Deutschland, an denen an öffentlicher Stelle auf die Banater Schwaben und auf ihre Geschichte hingewiesen wird.
Vor mehr als 20 Jahren richtete man hier einen Schicksalsweg der Banater Schwaben ein. Auf vier Gedenksteinen von der Ortsmitte bis zur Ödlandkapelle wird symbolträchtig an den geschichtlichen Weg der Banater Schwaben erinnert, – haben doch die Nachkommen der Hotzenwald-Auswanderer gezielt eine Brücke in die Heimat ihrer Vorfahren geschlagen. Bei der Einweihung dieses Weges waren damals viele Landsleute, Trachtengruppen, Fahnenordnungen, zahlreiche Herrischrieder und Umgebung sowie Persönlichkeiten aus Politik und Kultur zugegen. Das Projekt rief damals Franz Andor, der ehemalige Vorsitzende des Kreisverbandes München, ins Leben.
Viele Jahre sind seither verstrichen und dieses aufgebaute Bündnis zwischen den Hotzenwäldern und den Banater Schwaben ging allmählich in die Brüche. Nun hat sich der Landesvorsitzende des Landesverbandes der Banater Schwaben, Richard Jäger, zum Ziel gesetzt, ein erneutes Aufblühen einer Partnerschaft zwischen den Alemannen von Herrischried und Umgebung und den Banater Schwaben – vor allem den Saderlachern aus der Maroschgegend, denn die Vorfahren der Saderlacher kommen aus dem Hotzenwald – voranzutreiben.

Eröffnung der Tagung

Wie vor mehr als zwanzig Jahren beim großen Fest war diesmal der Treffpunkt der Klausurtagung auch wieder im Gasthof „Zum Ochsen“ festgelegt.
Kreisverbandsvorsitzende aus Baden-Württemberg sowie Vorsitzende von einigen Heimatortsgemeinschaften waren geladen und somit auch zugegen. Der Einladung folgten auch Franz Andor, Hans Burger (ein Saderlacher) und Frau Dr. Swantje Volkmann (Kulturreferentin für Südosteuropa im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm).
Der Landesverband Baden-Württemberg der Banater Schwaben bedankt sich hierfür bei der Kulturreferentin für den Donauraum am Donauschwäbischen Zentralmuseum für die Förderung dieser informativen und zielführenden Klausurtagung.

An den drei Tagen waren mehrere Themenblöcke angesetzt, eine Fachtagung und eine Prozession von dem Stein vor der Kirche zu den weiteren Steinen an der Rotmooshalle, am Freizeitzentrum und von dort eine Fahrt zum letzten Stein an der Ödlandkapelle.
Am ersten Tag am Abend, fand die Begrüßung durch Herrn Jäger, dem Landesvorsitzenden statt.

Anschließend stellten sich die Teilnehmer kurz vor. Folgende Personen wirkten mit: Ingrid Röhrich, Vorstandsmitglied LV BW; Hans Vastag, Vorsitzender HOG Hatzfeld und Vorstandsmitglied LV BW; Erich Furak, Vorstandsmitglied LV BW und Trachtenverein Crailsheim; Dr. Norbert Neidenbach, Vorsitzender KV Rastatt; Helene Eichinger, Vorsitzende HOG Jahrmarkt; Katharina Hell, Vorstandsmitglied des Fördervereins Mutter-Anna-Kirche Sanktanna; Wilhelm Kuhn, Vorsitzender HOG Deutschbentschek; Johann Janzer, Vorsitzender HOG Sanktandres; Anita Maurer, Vorsitzende der HOG Schöndorf und Pressesprecherin des Bundesvorstands der Landsmannschaft der Banater Schwaben; Dr. Siegfried Heber, Vorsitzender KV Böblingen und Vorstandsmitglied LV BW; Herbert Volk, Vorsitzender KV Esslingen und Vorstandsmitglied LV BW; Richard Wagner, Vorsitzender KV Tuttlingen-Rottweil; Holger Göpfrich, Vorstandsmitglied HOG Alexanderhausen und LV BW sowie Mitglied Trachtengruppe der Banater Schwaben Karlsruhe und Cornel Simionescu-Gruber, Vorstandsmitglied LV BW.

Landsmannschaftliche Beziehungen zu den Herkunftsregionen unserer Vorfahren. Am Beispiel Hotzenwald.


Unter diesem Titel wurde der erste Themenblock der Tagung angegangen.

Franz Andor stellte sich kurz als ein Bentscheker Schwob vor, der aus Bayern nun angereist ist, und er werde so sprechen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, hängte er als Bemerkung zu dieser kurzen Einleitung schmunzelnd dran.
Er erzählte von einem Vorhaben, das er vor mehr als 20 Jahren umsetzte, ausgerichtet auf eine Vergangenheit, die weit zurückliegt. Er berichtete, wie diese Idee zustande kam, von wo er sich damals inspirieren ließ und mit welchen finanziellen Mitteln er diesen Gedächtnisort aufbaute.
Obwohl er kein Leser ist, stieß er auf eine Lektüre, auf ein sonderbares Buch “Verena Enderlin” von Gerda von Kries, das ihn an seine erlebten Erinnerungen im Banat fesselte.
Die Idee, einen Schicksalsweg der Banater Schwaben in Herrischried aufzuzeichnen, holte er sich von seinen zahlreichen Reisen nach Israel. So wurden ab dem Jahr 1999 bis 2001 ein Schicksalsweg der Banater Schwaben mit vier Steinen von der Kirche bis zum 1.028 meterhohen Ödland neben der Wallfahrtskapelle errichtet. Die Steine erinnern an das Schicksal der Menschen, welche vor mittlerweile 270 Jahren auswanderten. Viele Hauensteiner (Hotzenwälder) Familien waren auch unter ihnen. Nachkommen dieser Auswanderer, von denen die meisten nach 1945 wieder zurück in die Heimat ihrer Väter kamen, stifteten diese Gedenksteine.

Heimatortsgemeinschaften als Brückenbauer zur alten Heimat. Am Beispiel Hatzfeld.

“Tradition pflegen heißt nicht, Asche aufbewahren, sondern Glut am Glühen halten” ein Zitat von dem französischen Sozialisten Jean Jaurés (1859-1914), das Hans Vastag, der Referent dieses Themenblocks, ins Gespräch brachte.
Die Heimatortsgemeinschaft Hatzfeld fühlt sich als Brückenbauer zwischen der alten und neuen Heimat. Die HOG selbst, viele Mitglieder wie auch private Spender haben mit rund 100.000 € die Reparaturarbeiten an der Heimatkirche mitfinanziert. Auch die Orgel wurde schon mehrmals gestimmt. In all den Jahren gab und gibt es eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt Hatzfeld, dem Deutschen Forum Hatzfeld und der Katholischen Kirche. “Die Projektvorschläge wurden vom Vorstand immer so gut wie einstimmig mitgetragen”, hielt Hans Vastag fest. Des Weiteren wurden fünf Heimatbücher und alle Heimatblätter digitalisiert, eine Ortsmonografie in Rumänisch für die Neubürger wurde veröffentlicht, die Stefan Jäger Grabstätte auf dem Hatzfelder Friedhof wurde renoviert und neu gesegnet usw.

Zu diesem Thema gab es im Anschluss eine Podiumsdiskussion.

Die Beteiligten, von links nach rechts: Hans Vastag (Moderation), Hans Janzer, Helene Eichinger, Anita Maurer und Willi Kuhn.

Die HOG-Vorsitzenden der Gemeinden Sanktandres, Jahrmarkt, Schöndorf und Deutschbentschek konnten einer guten Zusammenarbeit mit den Behörden in Rumänien leider nicht folgen. Sie berichteten von netten Empfangsgesten der jeweiligen Ortsvorsteher bei ihren Rathausbesuchen in der alten Heimat, aber sie vermissen im Nachhinein eine Bereitschaft zu einer ernsthaften Kooperation zwischen den Heimatortsgemeinschaften und den Rathausbehörden. Vorschläge zur Errichtung von Denkmälern, die an unsere langjährige Geschichte im Banat erinnern soll, werden von den rumänischen Rathausherren immer wieder abgeblockt.
Zum Schluss stellten die Anwesenden sich in summa summarum eine bizarre Frage: Lohnt es sich überhaupt noch Geld zu investieren in ein Ort, der von fremden Leuten ohne Geschichtsbewusstsein und ohne Interesse an unserer Vergangenheit bewohnt ist und in etwa 25 Jahren für viele Menschen mit Banater Wurzeln uninteressant wird sein? Zugleich tut sich aber trotzdem auch eine unausweichliche Pflicht auf. Die Spenden für Friedhofspflege und Erhalt einer Friedhofskapelle sollten zu diesem Zweck nach wie vor Verwendung finden.

Unser soziales und caritatives Wirken für die Gemeinschaft.
Der Förderverein Mutter-Anna-Kirche Sanktanna e.V.

Das Vorstandsmitglied Katharina Hell dieses Vereines listete die bisherigen Errungenschaften und weitere Ziele dieses Verbandes auf. Zum Beispiel wurde im Jahr 2017 das Kirchendach der Kirche in Sanktanna (Rumänien) vollkommen neu eingedeckt. Im 2019 wurde eine Kanalisation zum Ableiten des Regenwassers errichtet und im Jahr 2020 wurden Zaun, Tore und Mäuerchen bearbeitet und neu gestrichen usw. Mithilfe von Spendenaufrufe und mit Benefizveranstaltungen werden finanziellen Mitteln zu diesem Zweck erwirtschaftet.

Podiumsdiskussionen: Neustart Landsmannschaft – unser Weg in die Zukunft

Als Moderator dieser Podiumsdiskussion befragte Richard Jäger die Teilnehmer dieser ersten Runde Richard Wagner, Katharina Hell, Erich Furak, Dr. Siegfried Heber und Hans Burger, wie die Zukunft des Verbandes mit seinen Kreisverbänden einzuschätzen ist.

Dr. Siegfried Heber beklagte die sinkende Bereitschaft der Senioren, an diversen Veranstaltungen teilzunehmen, was den KV Böblingen schwäche. Junge Mitglieder sind nur schwer zu gewinnen, meinte Dr. Heber.
Richard Wagner glaubt durch landsmännische Hilfsbereitschaft neue Mitglieder zu animieren. Seine Unterstützung zur Antragstellung für Zwangsarbeitsentschädigung aus Rumänien bei vielen Landsleuten stärke den Ruf des Verbandes.
Sich caritativ einzusetzen lohnt sich allemal, glaubt Katharina Hell zu wissen.
Erich Furak sieht eine eindeutige Veränderung im Pflegebereich von Senioren voraus und hofft durch eine eventuell mögliche Errichtung eines banatschwäbischen Altenheims in Baden-Württemberg durch das Banater Hilfswerk eine Alternativlösung für ein weiteres Zusammenhalten.
Hans Burger sieht ein Zerfall unserer Gemeinschaft in den nächsten 50 Jahren.

Die zweite Runde zu diesem Tagungsthema befasste sich eindringlicher mit dem Erhalt unserer Kultur und unserem Brauchtum. In dieser Angelegenheit diskutierten Holger Göpfrich, Herbert Volk, Richard Wagner, Frau Dr. Swantje Volkmann (Moderation) und Dr. Norbert Neidenbach.
Frau Dr. Volkmann stellte fest, dass die Pandemie viele Verbände sehr schwächte. Nichtsdestotrotz war die Resonanz des diesjährigen Heimattages in Ulm sehr positiv.
Holger Göpfrich sieht jedoch den Karlsruher Trachtenverband auf einem Tiefstand.
Dr. Neidenbach schilderte, wie man staatliche Fördermittel erfolgreich wahrnehmen kann, um den Vereinen finanzielle Chancen einzuräumen.
Herbert Volk und Richard Wagner finden anscheinend strategisch wichtige Möglichkeiten, um die Trachtenvereine weiterhin aufleben zu lassen. Der beste Beweis dafür sei der geplante Banater Kulturnachmittag des Trachtenvereins Esslingen am 8. Oktober in Kirchheim unter Teck.

Johann Janzer