Banater deutsche Mundarten im Blickpunkt – 52. Kulturtagung in Sindelfingen

Die Mundart ist ein Zeichen der Identität der Banater Schwaben. Sie ist bereits Gegenstand von Dokumentation und Forschung. Die 52. Kulturtagung in Sindelfingen hatte deshalb das Thema „Die Banater deutschen Mundarten. Charakteristiken, Erforschung, Mundartliteratur“. Damit kam durch die Tagung, die am 5. und 6. November 2016 in Sindelfingen, im Haus der Donauschwaben, stattfand, ein Teil der Banater Kultur und Identität ins Blickfeld.

Landesvorsitzender Josef Prunkl begrüßte in seiner Eröffnungsansprache die Teilnehmer/innen, Referenten, die Geschäftsführerin des Vereins Haus der Donauschwaben, Henriette Mojem und den Vorsitzenden des Heimatverbandes der Banater Berglanddeutschen, Günther Friedmann. Dann dankte er Dr. Walter Engel für die konzeptionelle Gestaltung der Tagung. Im Laufe des Abends konnte auch der Vorsitzende des Vereins haus der Donauschwaben, Innenminister a. D. Heribert Rech MdL, als Ehrengast der Veranstaltung begrüßt werden. Heribert Rech erwähnt in seinem Grußwort, dass angesichts des Rückgangs der Mundartsprecher und infolge des Schwindens der Erlebnisgeneration es umso wichtiger ist, dass die Mundarten schriftlich festgehalten und erforscht werden.

Der durch zahlreiche Publikationen ausgewiesene Mundartforscher Dr. Hans Gehl (Tübingen) steckte mit seinem Vortrag „Deutsche Mundarten im Banat. Ihre Entstehung, Beschreibung und Erforschung“ den theoretisch-wissenschaftlichen Rahmen ab.

Der langjährige Leiter des Bereichs Dialektforschung am Institut für donauschwäbische Geschichte udn Landeskunde Tübingen (IdGL) bot zunächst einen Überblick über die deutsche Dialektlandschaft und die Mundarten der donauschwäbischen Siedlungsgebiete, um dann die Besonderheiten der in den Banater Siedlungen herausgebildeten Mundartgruppen aufzuzeigen und anhand eines Wenker-Satzes beispielhaft darzustellen. Im zweiten Teil seines Vortrags ging Dr. Gehl auf die Erforschung der Banater deutschen Mundarten am Temeswarer Germanistiklehrstuhl und am IdGL Tübingen ein. Dabei hob er den Beitrag von Dr. Johann Wolf zur Mundartforschung und Sprachpflege besonders hervor. Als konkrete Forschungsergebnisse nannte der Referent das in Temeswar erarbeitete „Wörterbuch der Banater deutschen Mundarten“, dessen erster Band 2013 erschienen ist, sowie die vier von ihm in der Reihe „Donauschwäbische Fachwortschätze“ herausgegebenen Bände (Bekleidungsgewerbe, Baugewerbe, Landwirtschaft, Lebensformen).

In zwei weiteren Beiträgen wurden konkrete Ergebnisse der auf das Banat bezogenen Mundartforschung am Beispiel einiger Publikationen vorgestellt. Dr. Alwine Ivanescu und Dr. Mihaela Sandor – beide am Temeswarer Germanistik-Lehrstuhl tätig – hatten einen Bericht über den 2013 erschienene ersten Band des „Wörterbuchs der Banater deutschen Mundarten“ zur Verfügung gestellt, an dem sie neben Peter Kottler, Ileana Irimescu und Eveline Hancu mehrere Jahre mitgearbeitet haben. Der Bericht wurde von Dr. Walter Engel gemeinsam mit Dr. Hans Gehl vorgetragen. Der Sprachenreichtum der Banater Schwaben wurde anhand zahlreicher Wortbeispiele verdeutlicht, gegliedert nach Wörtern des Grundwortbestands des mundartlichen Wortschatzes, Entlehnungen aus den Kontaktsprachen, Personen-, Orts- und Flurnamen und in der  Alltagssprache verwendeter Fachwortschatz. Das Wörterbuch ist ein wertvolles Nachschlagewerk, das sich sowohl an Fachwissenschaftler als auch an Mundartsprecher und -liebhaber richtet.

Dr. Hans Dama sprach anschließend über die Banater Mundartforschung anhand der Ortsmundart von Großsanktnikolaus. Über diese Ortsmundart hatte der Referent seine an der Universität Wien vorgelegte Dissertation verfast und 1991 in der Reihe „Deutsche Dialektgeographie“ veröffentlicht. Die Arbeit untersuche die lautlichen Erscheinungsformen der deutschen Sprachinselmundart von Großsanktnikolaus historisch-diachron und die Formveränderungen synchron, so Dama. Anhand der Darstellung der Entwicklung der Vokale in Bezug zu den mittelhochdeutschen Reihenschritten, der Konsonanten und der Morphologie erläuterte er die Merkmale und Eigenheiten der Ortsmundart Großsanktnikolaus, die eine südrheinfränkische fescht-Mundart mit ostmoselfränkischem Einschub ist. Größere Aufmerksamkeit schenkte der Referent den Interferenzerscheinungen, wobei er insbesondere den Einfluss des Rumänischen als Staatssprache seit 1920 exemplarisch darstellte. Solche Interferenzen kämen im familiären Milieu kaum oder nur selten vor, häufig seien sie hingegen am Arbeitsplatz und im öffentlichen Umgang.

 

Luzian Geier, ehemaliger Redakteuer der „Neuen Banater Zeitung“ (NBZ) in Temeswar, ein Vollblutjournalist und ausgezeichneter Kenner der Geschichte und Kultur der Banater Schwaben, erinnerte in seinem Vortrag an den vielseitigen, verdienstvollen Mundartautor Ludwig Schwarz, mit dessen schriftstellerischer und publizistischer Arbeit er aus der gemeinsamen Zeit bei der NBZ unmittelbar vertraut ist.
Der Referent begrüßte die Witwe und Enkelin des Schriftstellers. Anhand zahlreicher Fotos und Dokumente, die ihm die Familie zur Verfügung gestellt hatte und nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden, gewährte Geier Einblicke in die Biografie, die berufliche Tätigkeit und das schriftstellerische Wirken von Ludwig Schwarz (1925 – 1981). Es handle sich um einen der „authentischsten Banater Mundartautoren der Nachkriegszeit“; der Autodidakt sei ein  „Meister im Schreiben gewesen“, seine Mundart sei bildgeladen und urwüchsig und Schwarz vermochte sie sprachspielerisch einzusetzen. Geier widmete sich der Frage, seit wann und weshalb Schwarz in Mundart geschrieben habe. Die ersten Belege stammten aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre (Mundartdebüt mit dem Theaterstück „Mer macht sich halt Sorche“, 1968). Ausschlaggebend für das Schreiben in Mundart dürfte auch der große Erfolg seiner Mundartkomödie „Die Husarenkammer“ gewesen sein, die 1969 vom Deutschen Staatstheater in Temeswar aufgeführt worden war. Geier wies auf die weiteren Mundartveröffentlichungen des Autors darunter „Lache ist steierfrei“ (1973) udn vor allem die Roman-Trilogie „De Kaule-Baschtl“ (1977 – 1981) – ein Novum in der Banater deutschen Munartliteratur.

 

Traditionsgemäß endete der erste Veranstaltungstag mit einem Konzert das wiederum von Dr. Franz Metz gestaltet wurde. Das Konzert, an dem Leonore Laabs (Sopran), Wilfried Michl (Tenor) und Franz Metz (Klavier) mitwirkten, stand diesmal unter dem Motto „Ringerl und Röserl – Nicht nur Wiener Lieder aus der Josefstadt …“  – in Anlehnung an ein Lied des Komponisten Heinrich Weidt (1824 – 1901) der viele Jahre im Banat gewirkt hat. Von ihm waren noch weitere Kompositionen zu hören, außerdem bekannte Melodien von Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Robert Stolz, Franz Grothe/Aloys Melichar. Dargeboten wurde auch das „Allegro“ aus Johann Michael Haydns „Missa trinitatis“ sowie das „Schlummerlied“ von Emmerich Barther nach einem Gedicht von Peter Jung. Durch das Programm führte Dr. Franz Metz.

 

Der Sonntagvormittag begann – unter der Moderation von Luzian Geier – mit einem Vortrag von Helmut Ritter über die Mundartbeilage der NBZ und deren Bedeutung für die Banater Schwaben in einem gelungenen Rückblick „Die Pipatsch – mehr als ein Witzblatt“. Der Referent der selbst an der Gestaltung der „Pipatsch“ mitgearbeitet hat, erinnerte an die Anfänge (die erste Folge erschien am 9. November 1969) und an die „Gründungsväter“ des Mundartblattes. NBZ-Chefredakteur Nikolaus Berwanger „wusste nur zu gut, dass er durch die Mundart die Herzen seiner schwäbischen Landsleute anspricht und dadurch viele Leser für seine Zeitung gewinnen kann“, sagte Ritter. Tatsächlich, die „Pipatsch“ war schnell sehr beliebt, das sie mehr als nur ein humoristisches Blatt war und sich auch nicht scheute, auch Missstände zu bennen. Es sei gelungen, viele Mitarbeiter zu gewinnen, einen stetigen Dialog mit den Lesern zu pflegen und durch viele Rubriken, den verschiedensten Themen- und Interessenbereichen Rechnung zu tragen. Ritter ließ selbstverständlich auch die Mundart zu Wort kommen, indem er zahlreiche Textbeispiele aus der „Pipatsch“ brachte. Sie war den Banater Schwaben „ein  liebgewonnener treuer Begleiter“ so das Ergebnis des Referenten.

 

Streiflichter aus der banatschwäbischen Dichtung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bot abschließend der Beitrag „Von der „Schwobischen Gsätzle“ bis zur „Fechsung“. Zu den Anthologien baantdeutscher Mundartdichtung nach 1945″ von Dr. Walter Engel. Der bekannte Literaturwissenschaftler wies einleitend auf die beachtliche Tradition der banatschwäbsichen Mundartdichtung hin, die durch den Zweiten Weltkried eine Zäsur erfahren habe und dazu führte, dass Banater Anthologien nun auch im Westen in Mundartdichtung veröffentlicht wurden . Zudem erläuterte der Referent, wie es ab Mitte der 1960er Jahre zu einem wahren Mundart-„Boom“ im Banat kam.
Anschließend stellte Dr. Engel einige Anthologien vor, neben den im Referatstitel erwähnten auch das „Schwowische Volksbuch“ (1970), das auf die „Schwowische Gsätzle“ folgte und wie diese von Karl Streit und Josef Zirenner herausgegeben wurde, den Band „Märchen, Sagen, Schwänke“ (1979) herausgegeben von Walter Konschitzky und Hugo Hausl, sowie Anton Peter Petris lexikografische Darstellung „Deutsche Mundartautoren aus dem Banat“ (1984). Um die thematischen Schwerpunkte der von Ludwig Schwarz zusammengestellten Anthologie „Fechsung“ (1979) zu verdeutlichen, trug der Referent mehrere lyrische Texe daraus vor.

Die  Tagung endete mit einer Würdigung von Dr. Walter Engel, der nach zehn Jahren die Verantwortung für die Gestaltung der Kulturtagung abgab. Landesvorsitzender Josef Prunkl dankte ihm für die Zusammenarbeit und würdigte Dr. Engels Engagement und seine Verdienste um die Kultur der Banater Schwaben. Als Zeichen des Dankes und der Anerkennung überreichte er ihm eine Dankesurkunde des Landesvorstandes und ein Präsent.

(Aus dem Artikel von Walter Tonta, veröffentlicht in der „Banater Post“ am 5.11.2016.